Cookie Consent by FreePrivacyPolicy.com Morgengedanke von Pfarrer Paul Schobel Kath. Kirche Stuttgart / mGGp - für eine menschliche Gesellschaft
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Morgengedanke von Pfarrer Paul Schobel Kath. Kirche Stuttgart

Werte- oder Wertpapier-Gesellschaft? Wer hätte das gedacht, dass eine uralte biblische Plage noch einmal über die Menschheit kommt, die Heuschreckenplage. Gewaltige Schwärme fielen damals immer mal wieder über die Felder her, so dass sich die Sonne verdunkelte. Im Nu waren die Ernten - ritze-ratz - kurz und kahl gefressen. Die Heuschrecken von damals haben sich heute zu weltweit agierenden Finanzinvestoren gemausert. Auf der Jagd nach Renditen fallen sie über Betriebe her und nagen sie ab bis aufs Gerippe. Gewiss – nicht alle der hochriskanten Kapital-Fonds sind so gefräßig. Manche investieren immer noch anständig in Arbeit und Produktion. Viele aber ziehen eine Spur der Verwüstung hinter sich her, vernichten Zehntausende von Arbeitsplätzen und verursachen damit unendliches Leid. Es müssen nicht immer Heuschrecken sein. Auch die in Deutschland ansässigen, an der Börse notierten Konzerne haben massiv Stellen abgebaut. Dabei – oder vielleicht gerade deshalb - verzeichnen sie Rekordgewinne! Mehr als 60 Milliarden Euro haben die dreißig größten DAX-Riesen im letzten Jahr eingestrichen, doppelt soviel wie im Jahr zuvor. Und die Herren Vorstände haben kräftig zugelangt. Einer zum Beispiel genehmigt sich ein Jahreseinkommen, für das man vierhundert Angestellte beschäftigen und gut bezahlen könnte. Auf der anderen Seite – und das ist geradezu absurd – kommen kleinere und mittelständische Unternehmen, die am meisten Arbeitsplätze schaffen, kaum an notwendiges Kapital heran. Ist eine Wirtschaft zukunftsfähig, wenn sie dermaßen von den Finanzmärkten beherrscht wird? Eigentlich soll Wirtschaft doch knappe Güter so bewirtschaften, dass alle gut und gern leben können. Nun aber wird sie zum Selbstbedienungsladen, zur Raubritterburg. Der ständige Verweis, dass im Zeitalter der Globalisierung nationale Gesetze und Standards nicht mehr greifen, dient als pures Ablenkungsmanöver. Für alle Einsichtigen wird immer klarer: wir müssen uns weltweit auf einen Kodex und auf ethische Standards für Handel und Arbeit verständigen. Es muss gelingen, auch international eine wirklich soziale Marktwirtschaft zu installieren. An der Basis wächst der Unmut. Immer mehr Menschen erkennen: Eine solche Wirtschaft ist nicht lebensdienlich. Daher kämpfen sie um den Erhalt von Arbeitsplätzen, gegen Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich, gegen Stellenstreichungen in der Verwaltung. Immer mehr Menschen setzen sich ein für eine Politik des sozialen Ausgleichs, für Steuergerechtigkeit, für Arbeit und Einkommen für alle. Ohne einen ethischen Grundkonsens und ohne politische Gestaltung der Globalisierung wird jede Wertegesellschaft zu einer „Wertpapier-Gesellschaft“.
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